05.12.03
Aus und vorbei: SCR verliert die Lizenz
Mannschaft darf ab sofort nicht mehr spielen
Quelle: GAP Tagblatt von Silke Jandretzki
Aus, vorbei: Nach wochenlangem Siechtum ereilte den SC Riessersee der plötzliche Tod. Der Aufsichtsrat der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft (ESBG) beschloss am Mittwochabend während einer sechseinhalbstündigen Sitzung einstimmig, der Vermarktungs GmbH die Lizenz zu entziehen. Die Nachricht erreichte das SCR-Büro gestern Nachmittag per Fax. Der Aufsichtsrat kam zu der Auffassung, dass sich die Verantwortlichen, Geschäftsführer Ludwig Nominikat und sein Intimus Joachim Kress, die Zulassung zur 2.Liga unter Vorspielung falscher Tatsachen erschlichen haben. "Der Spielbetrieb wird ab sofort eingestellt", erklärt ESBG-Geschäftsführer Helmut Bauer, "das ist Fakt. Wir haben die zwei Begegnungen an diesem Wochenende abgesagt."
Offizielle Begründung für die Strafe: "Diverse gravierende Vergehen gegen Gesellschaftsvertrag, Lizenzstatut und Klublizenzvertrag." Ins Detail möchte Bauer noch nicht gehen. "Punkte, die zur Lizenzerteilung führten, waren zum Großteil nicht werthaltig", betont er aber. Nur einmal zuvor in der Geschichte des deutschen Profi-Eishockeys hatte sich ein ähnlicher Fall ereignet: Mitte der 90-er Jahre musste sich Kaufbeuren während der laufenden DEL-Saison zurückziehen.
Der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Martin Prager kündigte an, Rechtsmittel gegen die Entscheidung - in Frage kommen nach Angaben Bauers zuerst Sport-, dann Schiedsgericht - einzulegen. Ludwig Nominikat war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Ein Gespräch führte Prager gestern mit der Mannschaft, die noch verbliebenen Spieler räumten ihre persönlichen Gegenstände aus der Kabine. Inhalt der Unterredung: "Es ist total aus, offiziell gibt es keine Begegnung mehr", sagt Stürmer Tim Regan, der zum Heilbronner EC wechselt. "Zumindest bekamen wir nach der ganzen Ungewissheit jetzt eine Antwort, wenn auch eine schlechte: Es ist ganz einfach zu Ende. Schade, schade. Das tut mir leid für die Fans."
Diese können zumindest auf die Möglichkeit hoffen, dass der SCR 2004/2005 vielleicht eine Klasse tiefer antreten wird. Riessersee verlor zwar die Lizenz, nicht aber die ESBG-Anteile. "Es besteht die theoretische Chance, dass man sich, wenn man die Voraussetzungen schafft, für die Oberliga bewerben kann", sagt Bauer. Sollte der Entzug doch auf rechtlichem Wege rückgängig gemacht werden, dürfte der SCR die Wochenend-Partien "nachholen". Prager will versuchen, die Lizenz-Frage heute während des Prozesses zur Heimspiel-Sperre zu erörtern, sieht allerdings "keine Möglichkeit, dass wir das Thema da endgültig lösen. Deshalb ist es ziemlich ausgeschlossen, dass wir am Freitag oder Sonntag spielen.
Der vorläufige Insolvenzverwalter bestätigt auch Gerüchte von einem möglichen Vergleich: "Ich hoffe, dass wir einen Deal mit der ESBH hinkriegen". Wie er aussehen könnte, "weiß ich nicht. Es gibt eine Reihe denkbarer Optionen."Für die Zukunft. In dieser Saison würde der SCR nicht einmal mehr eine (konkurrenzfähige) Mannschaft aufbieten. "Es gibt viele Kündigungen", sagt Prager, ohne eine Zahl zu nennen. "Das ist ein weiteres Problem." Der Niedergang des zehnmaligen Deutschen Meisters SC Riessersee rief mitunter heftige Reaktionen und Kritik hervor. Franz Reindl aus Garmisch-Partenkirchen, Generalsekretär des Deutschen Eishockey-Bundes sprach gegenüber den Sport-Informationsdienst vom "Ergebnis eines desaströsen Managements. In wenigen Monaten wurde alles kaputt gemacht". Reindl betont, er sei "peinlich berührt: weil ich aus dem Ort stamme, da wohne und zwölf Jahre für den SCR gespielt habe." Nach einem Konkurs erlebt der zehnmalige Deutsche Meister nun die zweite Insolvenz - im Jahr seines 80. Geburtstags.
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"Trauriger Tag für das Eishockey und den Ort"
Thomas Schmid (1. Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen)
"Das ist heute ein trauriger Tag für das Eishockey und für Garmisch-Partenkirchen. Doch es war die logische Konsequenz, denn die GmbH hatte sich fernab jeglicher Realität in eine Traumwelt verstrickt. Deshalb ist es wohl ein vernünftiger Schritt. In Garmisch-Partenkirchen wird es weiterhin Eishockey geben, und ich habe den Eindruck, dass inzwischen viele der Meinung sind, dass ein Neuanfang das Beste sei. Wir als Gemeinde werden natürlich versuchen den Neuaufbau zu unterstützen. Allerdings werden wir uns ganz genau anschauen, unter welcher Führung das geschieht."
Urs Peter Janetz (1. Vorsitzender des SC Riessersee Eishockey e.V.)
"Ich sehe das ganze mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn jetzt ist zumindest die Ära von Ludwig Nominikat und Joachim Kress beendet. Schade ist jedoch, dass es wohl vorerst hier kein hochklassiges Eishockey im Seniorenbereich mehr geben wird. Finanziell trifft das allerdings auch uns als Verein hart, denn wir müssen voraussichtlich auf Zahlungen in einem hohen fünfstelligen Bereich verzichten. Zum einen fehlt uns die vereinbarte Summe von der GmbH, zum anderen ist fraglich, ob wir jetzt überhaupt noch Geld aus dem Reindl-Topf erhalten. Wie es in Zukunft weitergeht müssen wir abwarten. Doch wir werden jetzt natürlich noch alles versuchen, um mit dem Amateur-Team in die Bayernliga aufzusteigen, damit wir dann vielleicht nicht ganz unten wieder anfangen müssen."
Alfons Gollnick (Vorsitzender des SCR-Fan-Clubs 'Blue Angel')
"Es ist schade, aber dieser Schritt war nötig. Jetzt gilt es aber zuerst einmal, den Verein finanziell zu unterstützen. Wir haben unsere Weihnachtsfeier abgesagt und werden die 600 Euro, die das Fest gekostet hätte, an den Verein spenden."
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Schreckliches Ende
Quelle: GAP Tagblatt: Kommentar von Peter Reinbold
Das Ende mit Schrecken - es ist eingetreten. Und der , der den Horror auslöste, der mehr als 20 Personen den Job kostete und eine Region in Depressionen stürzte, zog noch bis vor wenigen Tagen schwadronierend durch den Ort, als sei nichts gewesen, als trage er keine Schuld am größten Desaster, dass der SC Riessersee in seiner 80-jährigen Geschichte erlitt. Ludwig Nominikat, Geschäftsführer und Alleingesellschafter der ruinierten Vermarktungs GmbH, wird in die Annalen eingehen als Kopf eines Konglomerats dubioser Männer, die mit Tricksen, Tarnen und Täuschen ihre Unfähigkeit zu kaschieren suchten. Aufgeflogen sind sie, weil Medien und Fans ihnen die Maske der Biedermänner vom Gesicht rissen und sie als Brandstifter entlarvten. Die anderen Kontrollorgane hingegen versagten. Weder die Politik, noch die Köpfe der Verwaltungen zeigten sich willens und in der Lage, Nominikat und Adlatus Joachim Kress in die Schranken zu weisen oder die Notbremse zu ziehen. Gleiches gilt für Behörden und Ämter, die das Duo infernale, das zum Schaden des SCR und womöglich zum eigenen Nutzen wirtschaftete, zu lange gewähren ließ. Kritisch hinterfragt werden muss auch die Rolle der ESBG und deren Vergabe-Praxis bei der Lizenz. Wird überhaupt geprüft, wusste man um die Zweifelhaftigkeit der SCR-Unterlagen, steuerte man wissentlich in die Katastrophe? Wollte man mit dem rigiden Handeln und den drakonischen Strafen vom eigenen Versagen ablenken und Stärke demonstrieren, wo zunächst Nachsicht oder gar Nachlässigkeit vorherrschten - frei nach dem Motto: Es wird schon nichts passieren? Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Es ist eingetreten - das schreckliche Ende des SC Riessersee
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Das erste Endspiel
SCR-Amateure treten gegen Schliersee an
Das erste von fünf Endspielen steht am heutigen Freitag für die Eishockey-Amateure des SC Riesersee auf dem Programm. Um 20 Uhr gastiert der SCR in Miesbach beim TSV Schliersee.
Noch kann niemand sagen, in welcher Besetzung die Mannschaft antreten kann. "Es werden wohl auf jeden Fall die auflaufen, die seit Saisonbeginn zum Kader gehören. Ich hoffe aber auch dass Florian Vollmer und zumindst in Miesbach noch einmal hilft. Alle anderen Leute des ehemaligen Profikaders sind vorerst nicht spielberechtigt", sagt Jugendleiter Alfred Weindl, der sich derzeit im Krankenstand befindet. Für den SCR zählt nur ein Sieg, damit er eventuell doch noch die Aufstiegsrunde zur Bayernliga erreicht. "Einen Ausrutscher dürfen wir uns nicht mehr erlauben." Bereits am Dienstag findet die Nachholpartie in Bad Tölz statt.
Quelle:
www.scriessersee.de